18-17 Von Almaty zum Sharyn Canyon und dann zum Ysyk-Köl



12. August 2018, Sonntag
Nachtrag zur Parkplatzsuche am Freitag Abend: Nachdem wir den Platz von iOverländer.com wieder verlassen, weil überfüllt, verfolgt uns ein Polizeiauto. Nachdem ich dieses blödsinnige Gehupe der Polizeisirene mehrfach ignoriert hatte, gelingt es ihnen uns anzuhalten. Wir hätten beim Rausfahren vom Parkplatz nach links die geschlossene Linie überfahren, so der Vorwurf. Ich verstehe so absolut gar nichts. Das macht mir mit ernsten und „verstehenwollendem“ Gesicht so richtig Spaß. Ihr deutsch reicht nicht, ihr russisch reicht nicht und ihr englisch reicht auch nicht aus. Auf meine höfliche Frage, ob sie uns bei der Parkplatzsuche behilflich sein können sind sie dann endgültig selber genervt und lassen uns ohne „Straf“ weiter in die Dunkelheit fahren. 

Einige Zeit nach dem Frühstück geht es mir nicht so gut. Matt, antriebslos, zerschlagen. Und trotzdem schaffen wir es mit 2x „Mittagsschlaf“ bis hinter zum Sharyn Canyon. Nach Almaty ist die Gegend flach und intensiv landwirtschaftlich genutzt. Die Berge sind in weiter Ferne zu sehen. Es geht immer weiter nach Osten. Bis zur chinesischen Grenze werden rund 200 km angezeigt, die Straße ist zum größten Teil zweispurig ausgebaut und in sehr gutem Zustand. Nach dem Abzweig in Richtung Süden verändern sich die Dörfer. Wir fühlen uns wie in einer anderen Welt. Das Straßendorf wird in der Mitte zu einem einzigen Basar. Waren werden angeboten, es wird gehandelt. Offene Bächlein fließen unter Bäumen durchs ganze Dorf. Irgendwie asiatisch, dörflich, chinesisch so wie wir uns das vorstellen. Im weiteren Verlauf kommen wir in ein Hügel- und Bergland.

Der Abzweig zum Canyon ist ausgeschildert. Von hier ab sind es 10 km auf Piste neben der im Bau befindlichen Straße. Im nächsten Jahr bestimmt sehr gut zu fahren. Wir sind in diesem Jahr und sind nach 35 Minuten am Nationalparkeingang. 2x 740 Tenge für die Personen und 100 Tenge fürs Auto sind zu zahlen.
Sharyn-Canyon am Abend


Unser heutiger Stellplatz

Übernachtung: oben am Sharyn Canyon N43.35807° E79.05348° Höhe 1130m

13. August 2018, Montag
Gestern Abend haben wir von oben in den Canyon reingesehen. Hier können wir mit den Rädern die Gegend abfahren.
Am Vormittag radeln wir den Sharyn von oben ab.
Sharyn-Canyon von oben









Danach Erholungsschlaf für den geschwächten Mann. Am Nachmittag finden wir einen Abgang für Allradfahrzeuge in den Canyon. Wo die runter und rauf kommen, da kommen wir mit unseren zwei Beinen und zwei Rädern schon lange runter. Und unten kann man weit waagerecht radeln. Es ist etwas anders. Runter durch die ausgefahrenen Spuren ist schon ein Balanceakt mit Krafteinsatz. Der Weg im Tal sah zwar von oben waagerecht aus, geht aber steil und „ausgewaschen“ nach unten. Aber die Aussichten sind phantastisch. Winnetou und Old Shatterhand müssten gleich um die Ecke kommen. Machen sie nicht, dafür aber Anna und Nils von www.travelbees.de sind gerade hier auf ihrer „Aussteigerweltreise solange das Geld reicht bis nach Ozeanien“. Blutjung, alles aufgegeben, erst mal die Welt ansehen. Mutig, unbedarft, einfach nur Klasse! Einer der Beiden von Humboldt‘s schrieb mal sinngemäß: „Die gefährlichste Weltanschauung ist die derjenigen, die sie sich die Welt nie angeschaut haben.“  Auf alle unsere mutigen jungen Weltreisenden die wir bisher getroffen haben trifft das mit Sicherheit nicht zu. Respekt!
Abstieg ins Tal, sieht auf dem Foto gar nicht so steil aus.

Hier steht drauf, dass man nur mit vier angetriebenen Rädern hier runter kann. 

Unten im Sharyn-Canyon

Die Ansicht trügt, der Weg geht ziemlich steil runter








Jetzt müssen die Fahrräder und wir nur noch das Tal hinauf und dann zum Schluss nach oben. Der Weg der Allradfahrzeuge ist weit und zum Ende hin steil und mit starken Auswaschungen extrem schwierig mit den Fahrrädern hoch zu schieben. Dann doch lieber eine herunterkommende Treppe beide Räder irgendwie hoch hieven. Das ist zwar anstrengend, aber gut zu schaffen.
Körperlich geschafft können wir sehr gut schlafen.
Koordinaten siehe gestern! 

14. August 2018, Dienstag
Duschen aus dem Küchenfenster. Und dann müssen wir weiter. Wir brauchen neues Wasser.
Unser Duschzelt

Da wir zum Issylkul-See wollen gibt es zwei Möglichkeiten: a) den kurzen Weg, von dem wir gehört haben, dass so bis zu 100km Piste sein sollen oder b) den langen Weg über geschätzt 700 km über Almaty und Bischkek und über gute Straßen. Wir entscheiden uns für a), den kurzen Weg. Mal seh’n was das wird.
10 km Piste vor bis zur Straße in 35 min. Das ist in Ordnung. Beim Blick auf unsere „Reifenluftdruckwarnanzeige“ (26 Buchstaben!) stellen wir seit längerem einen langsamen Druckabfall auf unserem Sorgenreifen fest. Eine „Schinomontasch“ muss her. In Kegen, der letzten  größeren Stadt vor der Grenze finden wir eine Werkstatt. Anhalten, Rad ab, (Hallo, man weiß es ja, wir haben immer mal ein Rad ab!), überprüfen. Der erste Flicken, das war: Reifen aufbohren, Gummimasse  / Gummipfropfen rein, war wohl durch unsere vielen schlechten Straßen locker und damit undicht geworden. Wahrscheinlich ist sowas sowieso nur als Notreparatur gedacht? Lösung: Schlauch rein, das sollte ganz lange halten. 5 000 Tenge, das sind rund 12,50€ für Reifen + aller nötigen Handlungen. Übrigens, hier fahren ganz junge Leute Auto, nicht alle Fahrzeuge haben Kennzeichen, nur Bargeld wird hier akzeptiert, es scheinen andere Regeln als im Rest des Landes zu gelten. Einkaufen, uns kommt der Ort wie ein „Westernstädtchen“ vor: alle sind in Bewegung, jeder schleppt was in sein Auto, nebenan ist Markt, die Verkäuferin ist mürrisch. Jetzt zur Grenze.
Auf dem Weg zur Grenze


Auf dem Weg zur Grenze

Auf dem Weg zur Grenze


Die letzten 11 km sind Piste bis zur Grenzübergangsstelle (im DDR-Jargon: GÜST). Der Grenzübertritt ist so schnell wie nie! Ausreise Kasachstan: freundlich, schnell, problemlos. Einreise Kirgisistan: noch schneller, freundlich, problemlos, einmal durchs Fahrzeug, herzlich willkommen, Schranke auf, das war’s.
In der Grenzabfertigung frage ich einen Russen nach dem Straßenzustand ab der Grenze. Ich höre: nach 5 km ist gute Straße. Wir nehmen ein älteres kirgisisches Ehepaar, die sind jünger als wir, mit an den Issylkul-See. Die 5 km waren wohl ein Hörfehler, in Wirklichkeit sind es 50 km böse Piste gewesen, die wir unserem gerade reparierten Auto zumuten müssen. Der Kontrast zwischen böser Piste und traumhaft schöner Landschaft konnte nicht krasser sein. Aber dann, 30 km feinster Asphalt, eine Wohltat. Worüber man sich freuen kann: über ein Auto, das auf der Straße ruhig dahingleitet!!!
Übernachtung in Kuturgu am Issylkum-See neben einer Mineralquelle und einem ordentlichen Strand: N42.73801° E78.12596° Höhe: 1624m     

15. August 2018, Mittwoch
Wir wachen auf mit dem Blick auf den schneebedeckten Gipfel des Pik Kommunismus, 7495m hoch am anderen Ufer des Issykkul, denken wir jedenfalls.  Von 1932 bis 1962 hieß der Berg Pik Stalin, bis 1998 Pik Kommunismus und heißt jetzt Pik Ismoil Somoni. Der heutige Name geht auf den tadschikischen „Vater der Nation“, Ismail I. zurück. Gestern Abend zeigte mir ein Russe ganz begeistert mit seinem Fernglas den Pik Kommunismus. Jetzt beim Schreiben und Nachsehen im Internet stelle ich fest, das ist mit Sicherheit nicht der Pik Kommunismus. Der liegt nämlich nicht im Tien Shan Gebirge, sondern in Tadschikistan und ist ein Gipfel des Pamir!
Trotzdem, ein klasse Blick auf die schneebedeckten Berge.


In der Verlängerung des Stabes ist eine kegelförmige Bergspitze zu erkennen. Das sollte der Pik Komunismus sein. 
Aus dem Rohr in der Mitte kommt 30°C warmes Wasser.

Bad am Issykul

Baden im Issykkul. Leicht salzig, angenehm warm, sauber. Abspülen unter dem Rohr der Mineralquelle. So muss der Tag beginnen.
Wir suchen uns jetzt für die nächsten Tage einen schönen Platz am See und werden die Beine gerade sein lassen. Vorher brauchen wir noch Geld aus einem Automaten und zwei SIM-Karten für die Handys.
In Cholpon-Ata werden wir fündig. Eine Bank und ein Telefonladen nebeneinander. Geld abheben mit Visa-Card kein Problem. Im Telefonladen klappt es nicht ganz mit dem Einrichten des Internets. Pavel ein anderer Kund bietet sich an, mit mir in den großen Telefonladen mit den Spezialisten zu gehen.
Gleichzeitig bietet er uns an, bei ihm auf dem Hof, 20m vom Seeufer entfernt, zu übernachten. Ok, so machen wir es. Die Zufahrt zu Pavels Datschengrundstück ist abenteuerlich. Die Einfahrt ist eng und mit viel Geschick bekommen wir unser Wohnmobil auf dem abschüssigen Gelände einigermaßen gerade aufgestellt.


Baden im Issykkul und dann am Küchentisch im Freien miteinander reden / radebrechen, alle Sprachen durcheinander. Sehr angenehme Gespräche. Pavel stammt aus der Ukraine, einmal geschieden, ein Sohn. Wiederverheiratet, vor 10 Jahren verwitwet. Bruder 1991 nach New York gegangen.
Der Issylkul ist ein See, der selbst im tiefsten Winter nicht zufriert. Nach dem Titicacasee ist er der zweitgrößte Hochgebirgssee. Das Nichtzufrieren wird durch das Zusammenspiel dreier Faktoren bewirkt. 1. Der Salzgehalt des Sees, 2. die Tiefe des Sees (über 600m tief) bewirkt, das die Temperaturumschichtung a) Sommer unten kalt, oben warm zu b) Winter oben kalt, unten warm extrem lange dauern würde. Der 3. Punkt ist der alles überlagernde Grund für das nicht zufrieren: Im  Seegrund tritt aus Vulkangestein warmes Wasser aus, das dann nach oben steigt. Pavel sagt, selbst im tiefsten Winter hat er in seiner Datscha in der Nacht -5°C (min: -8°C), am Tage Plusgrade. 2 km weiter sind es 10 Grad weniger und in den Bergen ist es extrem kalt.
Bei ihm sind vier Feriengäste eingemietet. Alles sehr einfach, aber auch sehr herzlich.

16. August 2018, Donnerstag
Bis zum Nachmittag helfen wir mit beim Entkernen der vielen Aprikosen. Sie werden entweder als Warenje (dünne Marmelade) gekocht oder in der Sonne getrocknet. Selbst die Kerne werden in der Sonne getrocknet und im Winter die  Aprikosen-Nüsse geröstet und zu Mehl zermahlen. Dann irgendwas mit Kaffee??? So richtig haben wir nicht verstanden, was damit passiert. 

In der Mitte Pavel, rechts außen und neben mir Feriengäste

Anschließend fahren wir mit sieben Personen in Pavels klapprigen VW-Passat zu den sieben km entfernten Mineralquellen. Hinten passen vier Erwachsene und ein Kind hinein! Das Bad selbst ist relativ neu, die Becken sind unterschiedlich warm und wir werden porentief rein.
Bei sowjetischem Champagner und weiteren guten Gesprächen verbringen wir den Abend. Der jetzige dritte Präsident der Kirgisen scheint nach zweien, die vorwiegend Geld in die eigenen Taschen gesteckt haben, der erste zu sein, der was gegen die Korruption unternimmt. In der Bewertung der Weltlage sind wir uns weitestgehend einig. 

17. August 2018, Freitag
Es gelingt uns ohne Kratzer und Anecken rückwärts vom Grundstück zu kommen. Da kann man stolz drauf sein.


Herzliche Verabschiedung, so etwas passiert einem nur, wenn man sich auf den Weg macht!

Kommentare

  1. Hallo ihr Beiden,
    wir nehmen das Blutjung mal als Kompliment :)
    Vielen Dank für die Eindrücke,
    Nils

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  2. Anna - Travelbee

    Lieber Dieter, liebe Petra, vielen Dank für den netten Blogpost und die schönen Eindrücke. Nils schrieb schon - blutjung - das hören wir gerne. Winnetou und Old Shatterhand hätten wir auch gerne getroffen, aber auch unsere "Flybee" hat sie von oben nicht sichten können.
    Vielleicht sehen wir uns ja in Kirgisistan wieder, wo wir seit gestern sind. Euch weiterhin eine sichere und vergnügliche Reise, Anna

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