18-19 Von Bischkek über Osch nach Taschkent

Die Grenzen sind abenteuerlich gezogen, werden aber auch durch natürliche Gegebenheiten (Berge, Täler) vorgegeben.



24. August 2018, Freitag
Gestern Abend hat es doch noch geklappt. Wir haben zusammen mit Anna und Nils einen schönen Abend in der Vanilla Sky Bar. Das Hinkommen war etwas schwierig. Nach mehreren E-Mails entscheiden wir uns eine Taxe zu kapern. Für 150 Som sitzen wir in einem VW-Golf mit großflächig eingesprungener Frontscheibe. Die Simeringe machen einen Höllenlärm und tatsächlich kommen wir in der Moskauer Straße 147 an. Am Ende des Abends fährt uns eine wesentlich bessere Taxe für ebenfalls 150 Som zu unserem Platz am Zirkus. Danke Anna und Nils für einen vollständig deutschsprachigen Abend mit interessanten Gesprächen.

Heute Abend wollen wir in den Zirkus gehen. Gestern sah es so aus, als ob im Gebäude Betrieb wäre. Zu Fuß suchen wir den Eingang und die Ticketschalter. Wir finden sogar den Eingang. Der Sicherheitsmann lässt uns nicht rein. Ab 1. September findet erst wieder Zirkus statt. Können wir uns das Gebäude mal ansehen. Nein geht nicht, ich haben den Auftrag niemanden hereinzulassen. Wir versuchen es mit betteln. Nur fünf Minuten, nur in die Arena reinsehen. Net, basta!

Dann laufen wir halt weiter in die Stadt. Ganz schnell sind wir an unserem „Eichenpark“ von gestern. Weiter zum ZUM-Kaufhaus. Viel langsam gehen, auf schattigen Bänken sitzen und Kakao im Cafe trinken. Na ja, die Architektur von Bischkek ist schon speziell. Ministeriumsgebäude und Verwaltungsgebäude mit viel Beton im Stil der 70-er / 80-er Jahre. Das Grün der Bäume und Parks verdeckt die wuchtigen Betonansichten. Die sprudelnden Wasserspiele machen die Stadt lebens- und liebenswert.

Die Oper von Bischkek

Kunsthalle

Seite der Kunsthalle

Irgendein Ministeriumsgebäude


Heute hier wegfahren macht auch keinen Sinn. Der nächste Stausee liegt 340 km entfernt. Wir laufen zum Standesamt, das befindet sich gegenüber von unserem Stellplatz, und beobachten dort die sich trauenden Paare.
Hochzeitskarossen

Das Standesamt von Bischkek

Hochzeitskarossen, beachte die Stretchlimosine


Übernachtung: wie gestern

25. August 2018, Sonnabend
Nach dem sehr einfachen Duschen hier auf der Avtostojanka machen wir uns auf den Weg nach Osch. Raus aus der Hauptstadt Bischkek. Irgendwann zwei Baustellen. Genau zwischen diesen beiden Baustellen hält uns wieder mal die Polizei an. Statt 60 km/h sind wir 73 km/h gefahren. Es ist „Straf“ fällig. Lässt sich auch diesmal nicht verleugnen. Mein freundliches Nichtverstehen und der Hinweis auf das Protokoll bessert unsere Reisekasse auf. Gut, mit einer halben Stunde Zeit muss ich dafür bezahlen. Macht man aber sehr gerne wenn man mitkriegt, wie sie versuchen ohne Gesichtsverlust aus der Situation herauszukommen. Das exakte Schreiben des Protokolls für ausländische Staatsbürger muss wohl schwierig sein. 
Kurz nachdem wir in Richtung Süden abbiegen ist Maut zu bezahlen, 686 SOM. Das sind umgerechnet über 8€. Die M41 führt ab jetzt durch tiefe Schluchten und über steile Serpentinen auf 2564 m. Beim Herauffahren zum Pass wird gebaut und einige Passagen sind nur im ersten Gang zu fahren. Zur Motivation loben wir unseren Ford ganz doll! Oben angekommen geht es durch einen nichtbeleuchteten abenteuerlichen Tunnel. Für LKW steht die Ampel gerade auf „Rot“. Seitenbegrenzungsreflektoren gibt es nicht, es ist sehr staubig und sehr dunkel. Als wir durch sind tut sich ein weiter, wunderbarer Blick ins nächste Tal auf. Hier in diesem Hochtal stehen kirgisische Jurten rechts und links der Straße. Vergorene Stutenmilch und andere für unsere Mägen exotische Dinge werden angeboten. Wir würden ja gerne, aber bisher sind wir mit Durchfall und Bauchschmerzen im Großen und Ganzen verschont geblieben. Das sollte auch weiterhin so bleiben. 
Zum nächsten Pass, dem Ala-Bel-Pass auf 3184 m Höhe sind die Serpentinen nicht so steil und plötzlich sind wir oben. Am Toktogul-Stausee wollen wir übernachten. Es ist kaum möglich ans Ufer zu kommen. Der Stausee ist von Felsen umgeben. Klar, wir sind im Gebirge, der See ist von Menschen gemacht, das fruchtbare ehemalige Ufer des Flusses Nuryn befindet sich am Grunde des Sees. Es wird dunkel und nach mehreren Anläufen stellen wir uns neben ein Cafe an den Straßenrand. Die Rollgeräusche der vorbeifahrenden Autos wiegen mich in den Schlaf und bringen Petra um den Schlaf. Als wir am anderen Morgen aufwachen, sehen wir, dass einige Kilometer weiter ein Weg nach unten führt und wir hier sicherlich viel ruhiger gestanden hätten.
Übernachtung: N41.74245° E72.91008° Höhe 953m

26. August 2018, Sonntag
Fahrtag vom Stausee bis 60 km vor Osch. Tolle Berglandschaften, ein unglaublicher Stausee mit einem türkisfarbenen Wasser zum Dauerstaunen, tolle Ebenen, ständig neue Bilder. Unterwegs überholen wir zweimal eine europäische Radfahrerin, leider ohne Halt und Gespräch. Entgegen kommen uns mehrmals dick bepackte Räder mit strampelnden jungen Leuten. Großer Respekt! Jeder könnte eine tolle Geschichte erzählen.
Übernachtung: hinter Özgön, am Fluss, N40.76169° E73.28414° Höhe 964m
Stellplatz neben der Straße

Dort unten hätten wir stehen können


Der nächste Stausee beginnt hier.




In Özgön

In Özgön- ich sollte ihn fotografieren!

In Özgön

An unserem Übernachtungsplatz

Unser Platz



27. August 2018, Montag
Gemütlich weiter nach Osch.
Über Osch haben wir viel gelesen. 3000 Jahre alt, 255 000 Einwohner, Schmelztiegel der Kulturen und Unruhen mit viele Toten 1990/91 und 2010.
Bei Wikipedia steht:
1990 kam es während der Auflösung der Sowjetunion zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Kirgisen und Usbeken in Osch und in der benachbarten Stadt Ösgön.
Spannungen zwischen Usbeken und Kirgisen führten im Juni 2010 erneut zu Zusammenstößen, bei denen mindestens 117 Personen getötet und mehr als 1400 verletzt wurden. Zwischen 32.000 und 80.000 Menschen flohen ins benachbarte Usbekistan.[1]

Am großen Park wollten wir übernachten. Hier treffen wir einen jungen Usbeken, der im vorigen Jahr mit seiner Familie aus Moskau zurück gekommen ist. 2010 waren sie dorthin  „ausgewandert“. Er besuchte damals die 9. Klasse. Wir fragen nach den Spannungen zwischen Kirgisen und Usbeken. Für ihn gibt es keine. Die Lage hat sich wohl extrem beruhigt. Die Vorurteile über die jeweilig andere Volksgruppe haben auch durch Medienarbeit und Zurückhaltung der Politik abgenommen. Der Schreck über den marodierenden Mob hat zum Nachdenken über das zukünftige Zusammenleben auf beiden Seiten geführt. Wir konnten  an keiner Stelle in der Stadt Zeichen von Hass entdecken.
Hier im größten Park der Stadt befinden sich viele Gaststätten, ein Denkmal für die in Afghanistan gefallenen Soldaten, das Denkmal für die Gefallenen des zweiten Weltkrieges und schon fast natürlich, eine überlebensgroße Leninstatue. Hochzeitsgesellschaften bevölkern den Park, und das am Montag Nachmittag. Wir haben den Eindruck, in Kirgisien wird mit 18 geheiratet und dann kommen drei bis vier Kinder. Fast so viele schwangere junge Frauen gab es auch schon in Russland, der Mongolei und in Kasachstan. Kirgistan ist noch etwas „Geburtenstärker“.
Hier können wir wegen der lauten Musik aus hochwertigen westlichen Lautsprechern nicht übernachten.
Einfahrt nach Osch

In Osch

Am Thron des Salomo


In Osch

In Osch

In Osch

In Osch
Lenin thront über allem

Was Lenin mit 27 Jahren Republik Kirgistan zu tun hat erschließt sich mir nicht.

Hochzeiten

Feiern ohne Alkohol

Statussymbole sind beim Heiraten wichtig

Blick vom Thron des Salomo auf Osch

Ein ruhiger Platz ist der Parkplatz am Fuße Berges „Thron von Salomon“.     
Wikipedia:
Aber auch für muslimischen Pilger aus ganz Mittelasien war und ist der Berg – der bis zum 16. Jahrhundert Bara-Kuch, „Schöner Berg“ hieß – heilig, denn Salomo, den Christen aus der Bibel als König Israels bekannt, gilt im Koran als Prophet und soll am Fuß des Berges begraben worden sein. Seither heißt der Berg Thron des Salomo und auch heute noch finden daher am Berg Beerdigungen statt. Im 16./17. bzw. 17./18. Jahrhundert wurden zwei Moscheen erbaut, die weitgehend erhalten bzw. restauriert sind.
Hier irrt Wikipedia: König Salomon soll schon 931 vor Christus in Jerusalem gestorben sein. Warum sollte man ihn dann hierher bringen und begraben? Der Islam entstand im 6. Jahrhundert. Warum wird 1000 Jahre später behauptet, dass Salomo hier begraben wurde? Eine schöne Geschichte, aber nicht wahr. Fake News oder auch alternative Fakten. Zum Schluss glaubt man dem Schwachsinn!
Übernachtung: am Fuße des Thrones des Salomo in Osch N40.52752° E72.78005° Höhe 1023m

28. August 2018, Dienstag
Heute wird es warm. Eigentlich ist der Basar von Osch wegen seines orientalischen Flairs ein Muss. Wir wollen nicht und entscheiden, erstmal weiter in Richtung Taschkent. Eventuell mit einer Zwischenstation irgendwo unterwegs.
Der Grenzübertritt geht schnell. Beide Seiten arbeiten sehr freundlich und, unser Eindruck, legen Wert darauf, dass Touristen gut über beide Länder reden und wiederkommen. Wir werden bevorzugt behandelt.
Im nächsten größeren Ort nach der Grenze halten wir bei einer Bank an. Wir brauchen usbekische SUM. 1 Euro sind knapp 9 000 Sum! Es gibt keinen Bankautomaten, dafür aber eine sehr hilfsbereite junge Bankangestelltw. Da in ihrer Bank das Kartenlesegerät nicht ins Internet kommt, bietet sie uns an, uns zur Konkurrenz in 5km Entfernung zu begleiten. Wir fahren hin. Auf meine Visa-Card bekomme ich 200 Dollar, die kann ich nun in der Bank gegen über 1, 5 Millionen SUM eintauschen. Ich bekomme ein Paket von Banknoten, das man nur im Rucksack transportieren kann. Drei „Ziegeslsteine“ zu jeweils einer halben Million SUM und noch etwas dazu. Wie sollen wir das praktisch händeln?
Die neuen Millionäre fahren zurück. Wir fragen unsere Bankangestellte, wo man eine SIM-Karte für unsere Smartphones bekommt? Sie führt uns zum „Beeline-Shop“ und erklärt der Dame dort unser Anliegen. Wir sind baff von soviel Hilfsbereitschaft. „Bolschoj spassiba i wsjewo choroschewo dlja was“ und dann ist sie weg. Nach einer halben Stunde haben wir unsere Karten und sind wieder mit der großen weiten Welt, die jetzt wieder das digitale Dorf ist, per Internet verbunden. 320 000 SUM sind für die beiden SIM-Karten weg.
Money, Money.

Wir fahren weiter durch das Ferghana-Tal. Wir fühlen uns irgendwie, wie im Garten Eden. Üppige Blütenpracht, Mais-, Getreide- und Gemüsefelder,  Kanäle mit Wasser durchziehen das Tal, Sonne. An den Straßen werden Tomaten, Melonen, Kürbisse, Zwiebeln, Kartoffeln, Äpfel, Birnen und was wir sonst noch sehen verkauft. Ein Wachsen und Treiben wie im Paradies?
Peperoni und Paprika werden hier getrocknet.

Ihm schmeckt unser Kuchen.

Die Straße führt in nördliche Richtung an der Grenze zu Tadschikistan vorbei. Nach einem großen Tagebau und zwei großen Kraftwerken mit stinkenden Rauchfahnen geht es wieder in die Berge. Serpentinen steil hoch und wieder runter, Nah – und Fernsichten zum satt Sehen. Obwohl, irgendwo würden wir jetzt gerne stehen und nicht hier durch die Gegend fahren. 100 Kilometer bis Taschkent, die schaffen wir auch noch bei Dunkelheit. Wir haben die Koordinaten eines Hostel‘s, an dem man gut, ruhig und sicher stehen kann.
Genau so ist es. Danke an www.folgedemtraum.de  !
Hier bleiben wir mindestens drei Nächte.
Übernachtung: Sunrise Caravan Stay  N41°17´29.9´´  E69°16´02.8´´ 9 Dollar pro Person pro Nacht im Wohnmobil. Ist es wert. Waschmaschine, Kaffee, Tee, Duschen, Toiletten inclusive, B&B Hostel

29. August 2018, Mittwoch
Wäsche waschen, Blog schreiben, „nichts“ tun, zur Ruhe kommen. Hier am Sunrise Caravan Stay lässt es sich leben. Wir stehen zwar „Schattenüberdacht“ neben der Straße in der Fast-Stadtmitte, aber hier ist ruhiges Wohngebiet mit ganz wenig Straßenverkehr.
Es tut gut mal nicht zu fahren.



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